Regensburg, an einem Tag wie jeder andere.
In einem kleinen Café – es könnte jedes sein – sitzt ein Taugenichts zwischen den Gästen an einem Tisch allein und versucht zu ergründen, was es wohl sei: die Kunst, das schöpferische Gestalten, in der Bewirtung von Gästen? – Die Kellnerin lächelt charmant. Der Kaffee ist schwarz und süß.
Oft wurde ich schon gefragt, was für mich ein gutes Restaurant ausmacht – wo ich gerne hingehe und mich wohlfühle. Manchmal wurde ich auch gefragt, was ich anders machen würde, was ich raten könnte. Es mag wohl daran liegen, daß ich, nebst verschiedensten Engagements in der Gastronomie, meine Zeit am liebsten als Gast, Salonlöwe oder gescheiterte Kaffeehaus-Existenz verbringe. Mal in Gesellschaft, mal allein.
Was ist es nur, das mich so anzieht und mich gerne verweilen läßt, in den Hotelbars, den Lobbys, Bistros, Cafés, Restaurants und an den Tresen dieser Welt und dieser Stadt?
Die Kunst – per Definition – ist „das schöpferische Gestalten und Schaffen von Werken […], für das jmd. Begabung und ein bestimmtes Können braucht.“ Ein Jurist könnte geneigt sein, hier anzufügen, daß es bei Kunst auf kommunikative Sinnvermittlung nach außen ankomme und daß sie keine „fraglose“ Aussage sei – Kunst ist eben nicht eindeutig begrenzt; nicht rasch zu durchschauen.
Beim naiven Versuch, die Kunst der Gastronomie zu ergründen, bleibt uns also nur, dieser Fragestellung im Nachsinnen und Forschen sachte näherzukommen; und uns von Formen und Aussagen nicht zu leicht einnehmen zu lassen. Die Kunst müssen wir dazwischen suchen. Zwischen den Lichtern der Bar, die sich in den Gläsern spiegeln und brechen. Zwischen den Gästen, den Wirten, dem Personal. Zwischen einem schüchternen Lächeln unter Fremden und den vertrauten Gesprächen unter Freunden.Zwischen der kleinen Pause am Mittag, dem romantischen Rendez-vous am Abend, dem Gala-Menü oder dem letzten Glas im Stehen. Irgendwo, zwischen sich verlieben und sich betrinken.
Ebenso wenig dürfen wir dem Versuch erliegen, uns völlig rational, rein mathematisch oder gar emotionslos der Gastronomie anzunehmen. Ansonsten bliebe uns wohl lediglich die Frage, welchen Namen wir uns auf den Starbucks-Becher schreiben lassen, bevor wir uns bei Vapiano und Co. selbst bedienen dürfen; oder ob wir gleich zu IKEA fahren.
Was macht also gute Gastronomie aus? Sie zur Kunst? Was ist das Unscheinbare, das schwer Beschreibbare, das im Zusammenspiel zwischen den Akteuren in einer Gastwirtschaft passiert und zum Wohlfühlen beiträgt? Es ausmacht?
Ist Gastronomie in gewisser Weise ein Schauspiel; oder eine Erzählung? Und das Lokal eine Bühne, oder nur der Ort für die Handlung? Welche Dramen und Tragödien, aber auch Romanzen und Komödien, haben sich schon in so mancher Wirtschaft zugetragen. Geschichten eben.
Geschichten, wie Casablanca. Vielleicht ist Rick’s American Diner wohl das, was man als die Kunst der Gastronomie bezeichnen könnte. Oder ist es die Park Hyatt Piano Bar, an der sich Charlotte und Bob in „Lost in Translation“ kennenlernten? Vielleicht ist es aber auch das Schumann’s in München … oder doch das Lokal, hier in Regensburg, mit dem Sie, verehrter Leser, ihre ganz eigene, persönliche Geschichte verbindet? Mitunter ist diese Geschichte auch noch gar nicht erzählt.
Für mich – wenn ich meine Meinung mal so ganz ungefragt kundtun darf – kommt die Kunst in der Gastronomie einzig und allein durch die Menschen. Es sind jene Menschen mit der Schürze, mit dem Cocktailshaker, dem Küchenmesser, dem Tablett. Es sind die Gastgeber.
Egal wo und warum man nun zu Gast ist; egal wie sauber die Abläufe optimiert und die Prozesse geplant sind; egal wie teuer das Interieur gewesen sein mag, oder welch Ausgefallenes (manchmal Unaussprechliches) die Karte schmückt. Gastronomie lebt und zeichnet sich in erster Linie durch die Menschen aus, die in ihr arbeiten.
Für eine gute Zeit mit Gästen braucht es noch nicht einmal ein Lokal. Ein schöner Abend mit Freunden am Donauufer, oder mit den richtigen Leuten zuhause. Wie oft ist man selbst Gastgeber, lädt Menschen ein, gestaltet und arrangiert für eine gewisse Zeit, hier und da etwas Geselligkeit. Es braucht manchmal gar nicht viel drumherum. Und davon lassen sich viele gute Geschichten erzählen.
Vielleicht sehen sehen wir uns ja mal, hier und da, in den Restaurants und Bars dieser Stadt, in denen ich mich zu Hause fühle. Auf ein Gespräch, oder ein Lächeln.
Bis dahin
verbleibe ich
herzlichst
Ihr Ober Thomas Beyer.
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